Unwetter am 7. Juni 2019
07.06.2019 00:00
Dieses Jahrzehnt hat nun, nahe seinem Ende, auch ein kräftiges Unwetter in Wolkersdorf hervorgebracht. Im Vergleich zu anderen sehr niederschlagsreichen Gewittern wie jenem am 19. Juli 1994 oder am 22. April 2008 steht es zwar zurück, doch für das regenreichste Wolkersdorfer Gewitter des diesbezüglich sonst eher harmlosen Jahrzehnts reicht es - und leider auch für einige Schäden. An der offiziellen ZAMG-Wetterstation, deren Niederschlagsmengen im Gegensatz zu den Temperaturdaten im Normalfall sehr vertrauenswürdig sind, wurden 47mm gemessen, bei mir Garten zunächst 35mm, die ich anhand eines klassischen analogen Niederschlagsmessers dann noch auf 41mm korrigieren konnte. Die Kippwaage, die bei mir normalerweise zum Einsatz kommt, ist durch sehr hohe Niederschlagsraten etwas überfordert. Etwas über 20mm fielen beispielsweise alleine binnen 10 Minuten von 01:35 bis 01:45. Nur zur Einordnung der Niederschlagsmengen: Am 22. April 2008 waren es ca. 50-60mm innert eineinhalb Stunden, für Mitte Juli 1994 liegen mir keine Niederschlagsmesswerte vor, ich schätze aber es war damals noch mehr als 2008.
Bis Donnerstag lag der Nordosten Österreichs fernab von spannenderem Wettergeschehen im Bereich schwacher Höhenströmung mit leichtem Hochdruckeinfluss durch ein Hochdruckgebiet über dem Baltikum und dem Westen Russlands. Die Luftmasse war bereits mäßig labil geschichtet, in unserer Gegend fehlte aber ein Auslösemechanismus für Gewitter, während es beispielsweise in der Slowakei und Tschechien schon zu einigen Gewitterentwicklungen kam. Am Donnerstag selbst dann eine leichte Umstellung der Wetterlage: Ausgehend von einem Tiefdrucksystem über Westeuropa drehte die Höhenströmung leicht auf Südwest, die Luftmasse wurde gerade bei uns im Osten noch labiler geschichtet. Nun kam erstmals ein passender Auslösemechanismus hinzu. Bodennah drehte der Wind von Westen her langsam auf westliche Richtungen, während er bei uns zunächst weiterhin aus Südosten wehte. Das Resultat: Eine sogenannte Konvergenz, also ein Zusammenströmen von Luft, die folglich zum Aufsteigen gezwungen ist. Der perfekte Startschuss für ein Gewitter, das aufgrund der Labilität dann in die Höhe wachsen kann. Auf diese Art und Weise entstanden dort, wo die Luft zusammenströmte, am Nachmittag und Abend laufend Gewitter. Das betraf im Wesentlichen Oberösterreich und das westliche Niederösterreich, während es bei uns zwar drückend schwül war, aber noch der Südostwind vorherrschte und folglich kein Hebungsmechanismus am Werken war. Gegen Mitternacht wurden die Gewitter im westlichen Niederösterreich schwächer, und im Meteorologendenglisch allmählich "outflowdominiert", das heißt, dass Luft tendenziell absinkt und aus dem Bereich der Gewitterzellen herausströmt. Dieses Ausströmen bewirkte an der Vorderkante eine neuerliche Konvergenz zwischen West- und Südostwind, und diese Vorderkante befand sich nun im Wiener Raum, entlang einer nord-süd-gerichteten Linie von ca. Ernstbrunn bis Mödling, also noch knapp westlich von Wolkersdorf. Hier ging dann nach Mitternacht die Post ab, binnen kürzester Zeit ploppten am Radar neue Gewitterzellen auf. Zu dieser massiven Entwicklung hat neben der Konvergenz auch ein anderer Effekt beigetragen. Die unteren 3-4km der Atmosphäre waren annähernd mit Wasserdampf gesättigt, davon konnte sich gestern jeder überzeugen, der sich im Freien bewegte. Einerseits konnte man es an der Schwüle bemerken, andererseits an der Vielzahl tiefer Wolken. Was nicht so offensichtlich war: Oberhalb dieser feuchten Schicht war die Luft deutlich trockener. Wird nun eine derartige Luftsäule, die unten wasserdampfgesättigt, darüber aber sehr trocken ist, gehoben, dann verschärft sich der Temperaturgradient mit der Höhe, und die Labilität (bei der es sich ja um nichts anderes als die Ausprägung des vertikalen Temperaturgradienten handelt) nimmt weiter zu. Kurz vor 1 Uhr waren die einzelnen Gewitter zu einer Gewitterlinie herangewachsen, die entsprechend der Höhenströmung sehr langsam von Südwesten nach Nordosten wanderten. Die Vorderseite der Linie erreichte Wolkersdorf ab ca. 01:20 Uhr, und lag zum Zeitpunkt ihrer maximalen Ausprägung zwischen 01:30 Uhr und 02 Uhr genau über Wolkersdorf. Weiter östlich wurde auch diese Gewitterlinie allmählich outflowdominiert und schwächte sich ab, sodass die Niederschlagsmengen beispielsweise im Marchfeld deutlich geringer waren.