Eine neue Wetterstation für Wolkersdorf
15.03.2023 15:50
Aufmerksamen Spaziergehern und Spaziergeherinnen entlang des Rußbachs ist in den letzten Tagen vermutlich die neueste meteorologische Errungenschaft in Wolkersdorf aufgefallen. Beim Brunnenschutzgebiet nahe des Alten Marktes hat eine neue Wetterstation der Geosphere Austria (GSA) – besser bekannt unter dem von 1851 bis 2022 gültigen Namen als Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, oder ZAMG – ihren Platz gefunden. Diese Station hat eine längere Vorgeschichte, die treuen Lesern und Leserinnen dieses Blogs in ihren Anfängen sicherlich bekannt ist.
Wie mehrfach (z.B. hier oder hier) berichtet, war die bislang operative Wetterstation der GSA in Wolkersdorf am Rande des Wirtschaftshofparkplatzes mehr als unglücklich platziert und insbesondere an sonnigen Tagen dadurch deutlich zu warm im Vergleich zur Umgebung, so auch relativ zu meiner privaten Station. Dies konnte im Sommer das Bild entstehen lassen, Wolkersdorf wäre ob der zahlreichen Mediennennungen als wärmster Ort des Tages, der Stunde etc. wirklich das heißeste Pflaster Österreichs, was in den meisten Fällen einer meteorologischen Grundlage entbehrte. Wie dies der internen Datenqualitätskontrolle der GSA entgehen konnte, ist mir zwar angesichts der eklatanten Abweichungen zu benachbarten Wetterstationen nach wie vor ein Rätsel, mit dem überaus motivierten und engagierten GSA-Mitarbeiter Marco Kopecky (der an dieser Stelle übrigens seinen eigenen Blog über das österreichische Wetterstationsmessnetz betreibt, und dabei auch Wolkersdorf schon mehrfach erwähnte) konnte ich aber einen Mitstreiter in der Messnetzabteilung der GSA gewinnen, der seit unserem Erstkontakt und der Besichtigung des bestehenden Standortes im Jahr 2021 alle Hebel in Bewegung gesetzt hat, um der staatlichen Wolkersdorfer Wetterstation einen würdigen neuen Standort zu verschaffen.
Der Weg hin zum neuen Standort war alles andere als mühelos, beginnend bei der Suche nach geeigneten Flächen. Natürlich müssen die meteorologischen Randbedingungen erfüllt sein, ohne Anspruch auf Vollständigkeit unter anderem: Eine möglichst freie Rasenfläche für die Messung von Temperatur, Luftfeuchte und Wind, für den Niederschlagsmesser hingegen ist eine starke Windexposition nicht ideal, da die Messung sonst bei kräftigem Wind verzerrt wird. Andererseits die technischen Vorgaben, wie etwa 230V-Stromanschluss und guter Mobilfunkempfang für die Datenübertragung. Nicht zu verachten auch die langfristige Perspektive: Die Messumgebung soll sich bestenfalls über Jahrzehnte weg kaum verändern. Das Wachstum von anfänglich jungen Bäumen in der Nähe ist besonders gefürchtet, da sich dadurch sehr langsam und schleichend die Strahlungsverhältnisse ändern. Auch die Bebauung in der Umgebung darf nicht zunehmen, ein Spar-Parkplatz neben der Wetterstation quasi ein No-Go. Wo ließe sich da in einer stark wachsenden Gemeinde wie Wolkersdorf so eine Fläche finden? Glücklicherweise erfüllt ein Brunnenschutzgebiet die meisten der Ansprüche hervorragend, noch dazu befindet sich das zugehörige Grundstück in öffentlicher Hand – perfekt. Fast. Denn ein Problem existiert am Alten Markt: Die Windmessung wäre aufgrund der hohen Bäume nordwestlich des Standortes einem großen Fehler unterworfen. Daher entschied man sich zu dem kleinen (erfreulichen) Kunstgriff, den Windmasten der neuen Station nicht beim Brunnenschutzgebiet, sondern auf dem Dach eines dem Autor namentlich bekannten Hotels im Stadtzentrum zu montieren. Dieser finale Bauabschnitt der neuen Wetterstation ist derzeit noch nicht durchgeführt, es dürfte sich aber nur noch um wenige Monate bis zur Finalisierung handeln.
Während der Übergangsphase betreibt die GSA den alten und neuen Standort der Wetterstation noch für einige Zeit parallel, ehe gänzlich auf die neue Station umgestellt wird. In den nächsten Monaten dürfen wir uns also vorerst letztmals an Mediennennungen der Wolkersdorfer Wetterstation erfreuen. Der Parallelbetrieb ist eine Standardprozedur bei der Verlegung von Wetterstationen und von erheblicher Bedeutung für die klimatologische Analyse von Messreihen. Stellen Sie sich den verwegenen Gedanken vor, die beiden Zeitreihen von alter und neuer Station würden einfach vermischt, und in 30 Jahren sähe man sich die langfristige Temperaturentwicklung in Wolkersdorf an. Man würde erkennen: Im Jahr 2023 hat es in Wolkersdorf nachhaltig abgekühlt! Tatsächlich wäre kein Klimatrend, sondern nur die Stationsverlegung erkennbar. Im Rahmen der Datenhomogenisierung – so heißt der Prozess formal – werden die Messungen von altem und neuem Standort während des Parallelbetriebs verglichen und die alte Zeitreihe dann statistisch um ihre systematischen Fehler bereinigt, um eine homogene Messreihe zu schaffen, die mehr etwas über langfristige Klimatrends aussagt als über Stationsverlegungen.
Was bringt diese Entwicklung für wetter-wolkersdorf.at? Mit einer guten neuen Platzierung der offiziellen Station entfällt die Daseinsberechtigung für meine Messungen, deren Standort nur wenige hundert Meter von der neuen staatlichen Station entfernt ist. Mit der regelmäßig kalibrierten, hochgenauen und teuren Sensorik der GSA-Station kann keine private Station mithalten. Das bedeutet aber alles andere als ein Ende der Datenaufbereitung auf dieser Website. Dankenswerterweise werde ich die Daten der neuen Station in 1-minütiger Auflösung erhalten und direkt hier einbinden können. Es wird also hinkünftig einiges anders, nämlich besser.
Fotos von Marco Kopecky